Mit einem Sprung auf 3,8 Prozent meldet sich die Inflation im Juli 2021 unübersehbar zurück – und sie könnte durchaus noch zulegen. Ein Blick ins Vorjahr zeigt noch ein ganz anderes Bild: Hier drohte die Deflation eine fatale Spirale in Gang zu setzen, was den Währungshütern der EZB Sorgenfalten in die Stirn getrieben haben dürfte. Wie geht es aber weiter und auf was sollten sich Verbraucher und Unternehmen einstellen?
Inflationsrate steigt sprunghaft – 30-Jahres-Hoch im Blick
Von 2,3 auf 3,8 Prozent – diesen Sprung legte die Inflationsrate innerhalb eines Monats in Deutschland hin. Die Rekordmarke von 4,3 Prozent im Jahr 1993 ist zwar noch nicht erreicht, könnte aber in diesem Jahr noch übertroffen werden. Und das gleich aus vielerlei Gründen, zu denen auch die seit Jahresbeginn erhobene Steuer auf Kohlendioxid zählt. Nicht zu verkennen ist jedoch auch die Normalisierung in puncto Mehrwertsteuer, die im letzten Jahr zur Unterstützung in der Corona-Pandemie abgesenkt worden war.
Doch es gibt auch ganz handfeste Gründe, so ist zum Beispiel Energie im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich teurer geworden, allein der Ölpreis ist nach einigen Einbrüchen aktuell um knapp 54 Prozent höher und Benzin fast 25 Prozent. Weitere Treiber der Inflationsrate sind Lebensmittel – und hier vor allem Gemüse.
Die 4,3 Prozent Preissteigerung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum spürt jeder Verbraucher deutlich beim Einkauf. Ökonomen erwarten bis zum Jahrsende sogar eine Inflationsrate von bis zu 5,0 Prozent, die jedoch nur vorübergehender Natur sein soll.
Inflation: des einen Leid, des anderen Freud
Da für das kommende Jahr eine Normalisierung der Inflation prognostiziert wird, dürften sich die deutlich höheren Preise kaum im Lohn- und Gehaltsniveau niederschlagen.
Im Gegenteil, die Kaufkraftverluste für Sparer nehmen ganz neue Dimensionen an: Allein im Januar 2021 büßten sie rund 3,33 Milliarden Euro ein, der Februar folgte mit einem Minus von 3,27 Milliarden Euro. Für das gesamte Jahr dürften sich fast 39 Milliarden Euro summieren, weil die Sparzinsen in Deutschland die Inflationsrate so deutlich unterschreiten.
Nachdem deutsche Sparer bereits im Vorjahr einen realen Zinsverlust von 6,3 Milliarden Euro hinnehmen mussten, wird das laufende Jahr noch einmal ganz bitter: Jeder deutsche Bürger verliert mehr als 470 Euro! Nach 2017, als der reale Zinsverlust sich auf 483 Euro je Bürger belief, wird 2021 wohl das zweitschlechteste Jahr für Sparer.
Trotzdem wächst das Sparvermögen weiter auf 2,57 Millionen Euro (Februar 2021) – und das, obwohl es so gut wie keine Verzinsung mehr gibt. Der Zuwachs im Vergleich zum Vormonat belief sich somit auf 0,88 Prozent, im Vergleich zum Vorjahresmonat immerhin auf 7,52 Prozent. Diese Tatsache ist mit Sicherheit auch dem Umstand geschuldet, dass die Konsummöglichkeiten pandemiebedingt eingeschränkt waren. Ähnliche Entwicklungen waren zuletzt 2008/2009, also im Zuge der Finanzkrise, verzeichnet worden.
Was den Sparern Kopfschmerzen bereitet, sehen die Währungshüter der EZB ganz gelassen:
Sie streben ohnehin eine Inflationsrate von knapp 2 Prozent an – und das aus gutem Grund. Der damit verbundene Geldwertverlust lässt die pandemiebedingt angewachsenen Staatsschulden im Euro-Raum von ganz alleine leichter werden. Von diesem Effekt profitiert im Prinzip jeder Kreditnehmer, der seine Verbindlichkeiten über eine vergleichsweise lange Laufzeit zurückführt. So ist es nicht verwunderlich, dass die EZB derzeit überhaupt keinen Handlungsbedarf sieht.
Inflation und Deflation – Entwicklung im Blick behalten
Das erklärt auch, warum die Euro-Währungshüter so empfindlich auf eine Tendenz zur Deflation reagiert: Steigt der Wert des Geldes, weil die Preise sinken und die Geldmenge zurückgeht, verändert sich auch das Kaufverhalten. Die Nachfrage bricht ein, was die Unternehmen über kurz oder lang dazu zwingt, die Produktion herunterzufahren und Belegschaft zu entlassen. Generieren diese dadurch wenigen Einkommen, können sie wiederum weniger nachfragen, was die Entwicklung noch einmal verstärkt.
Ganz schwierig wird die Situation für gewerbliche und private Kreditnehmer, die sukzessive einen übermäßig steigenden Kreditwert abtragen müssen. Da gleichzeitig die Preise für die kreditfinanzierten Vermögenswerte wegen der fehlenden Nachfrage sinken, prüfen Banken regelmäßig ihr Engagement. Schließlich werden die Sachwerte oft genug als Sicherheit abgetreten.
Reichen die überlassenen Werte jedoch nicht mehr zur Absicherung aus, wird die Bank Konsequenzen ziehen und entweder zusätzliche Sicherheiten verlangen und/oder die Konditionen neu festsetzen. Damit erweist sich die Deflation für die Wirtschaft als deutlich gefährlicher. Umso wichtiger ist es, sich mit dem Thema konstruktiv auseinanderzusetzen und die Entwicklung im Blick zu behalten. Nur mit kompetenter Unterstützung lassen sich auch komplexe Zusammenhänge durchschauen und tragfähige Entscheidungen treffen.