Einmal geschlossene Verträge sind prinzipiell einzuhalten – dieses Vertragstreueprinzip ist im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. Es gibt jedoch auch Ausnahmefälle, in denen es einer Vertragspartei gestattet ist, sich einseitig vom Vertrag zu lösen oder seine rechtliche Existenz sogar rückwirkend zu beseitigen.
Die bekanntesten dieser Ausnahmefälle sind das gesetzliche Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen sowie die Kündigungsmöglichkeit bei Dauerschuldverhältnissen. Ganz ähnlich wie auch das Gestaltungsrecht des Widerrufs, lässt auch der Rücktritt die vertraglichen Erfüllungsansprüche erlöschen. Im Gegensatz zum Widerrufsrecht, das vertraglich vereinbart oder gesetzlich nur in wenigen Fällen vorgesehen ist, kann ein Rücktrittsrecht prinzipiell aber bei allen Vertragsarten bestehen.
Wann und unter welchen Voraussetzungen es das Rücktrittsrecht erlaubt, sich von einem bestehenden Vertrag zu lösen, zeigen wir hier.
Rücktrittsrecht: die Voraussetzungen
Das Rücktrittsrecht ist ein Gestaltungsrecht und ändert das zwischen zwei Parteien bestehende Rechtsverhältnis. Es kann einseitig ausgeübt werden und bedarf nicht der Zustimmung des anderen Vertragspartners.
Das Rücktrittsrecht erlaubt es einem Vertragspartner, ein bestehendes Vertragsverhältnis durch einseitige Erklärung für die Zukunft – rechtlich gesehen – zu vernichten. Das ist für den Vertragspartner unter Umständen unangenehm. Schließlich vertraut er auf das Fortbestehen des einmal geschlossenen Vertrages.
Genau aus diesem Grunde erlaubt das Bürgerliche Gesetzbuch den einseitigen Rücktritt vom Vertrag nur unter strengen Voraussetzungen. Schließlich soll das einseitige „Zerstören“ eines bestehenden Vertragsverhältnisses eine Ausnahme bleiben.
Selbstverständlich steht es den Vertragsparteien aber auch frei, ein individuelles Rücktrittsrecht selbst durch Vertrag zu vereinbaren. Ist solch ein vertragliches Rücktrittsrecht jedoch nicht vereinbart worden, kann ein gesetzliches Rücktrittsrecht nur dann bestehen, wenn die nötigen Voraussetzungen erfüllt sind:
Der Rücktrittsgrund
Um einseitig und ohne Zustimmung des Vertragspartners von einem einmal geschlossenen Vertrag zurücktreten zu können, bedarf es eines triftigen Grundes. Ist ein Rücktrittsrecht nicht vertraglich vereinbart worden, sieht das BGB nur wenige Fälle vor, die einen Rücktritt vom Vertrag aus Gesetzgebersicht rechtfertigen können.
Von besonderer Bedeutung sind in der rechtlichen Praxis hierbei die gesetzlichen Rücktrittsrechte, die sich insbesondere aus § 323 Abs. 1 und § 326 Abs. 5 BGB ergeben.
Beide Vorschriften können entweder direkt oder kraft gesetzlicher Verweisung auf sämtliche Vertragsarten (also beispielsweise Kaufverträge, Werkverträge, Dienstverträge etc.) Anwendung finden.
Rücktrittsrecht nach § 323 BGB
Ein Rücktrittsrecht nach § 323 BGB kann dann in Betracht kommen, wenn eine fällige Leistung (z.B. Lieferung oder Nachlieferung einer Ware) bei einem gegenseitigen Vertrag nicht oder nicht wie geschuldet erbracht worden ist. Um wirksam vom geschlossenen Vertrag zurückzutreten, müssen dann folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
Voraussetzungen
- Ein gegenseitiger Vertrag muss wirksam zustande gekommen sein.
- Die vertraglich geschuldete Leistung ist nicht oder nicht wie geschuldet erbracht worden. Hiermit kann etwa die Lieferung einer Kaufsache oder die Erstellung eines geschuldeten Werkes gemeint sein.
- Erfolglose Mahnung: Ist die Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbracht worden, kann nicht sofort der Rücktritt erfolgen. Zuvor muss dem Leistungsschuldner eine Frist gesetzt werden, um die geschuldete Leistung noch vornehmen zu können. Erst wenn diese Frist erfolglos verstrichen ist, kann ein Rücktrittsgrund bestehen.
Gemäß § 323 Abs. 2 kann diese Mahnung jedoch entbehrlich sein, wenn der Schuldner die Leistung endgültig verweigert oder die Leistung zu einem bestimmten Termin erbracht werden sollte, der für den Gläubiger von Bedeutung war.
Dieser Rücktrittsgrund ist besonders wichtig und greift auch dann ein, wenn der Verkäufer eine mangelhafte Sache geliefert hat und diese auch nach mehrfacher Aufforderung nicht ordnungsgemäß repariert oder eine neue, mangelfreie Sache liefert!
Rücktrittsrecht nach § 326 BGB
Ein Rücktrittsrecht nach § 326 Abs. 5 BGB kommt dann in Betracht, wenn der Schuldner die ihm eigentlich obliegende Leistung nicht mehr zu erbringen braucht (Unmöglichkeit). Auch in diesem Falle müssen zur Rücktrittberechtigung jedoch einige Voraussetzungen erfüllt sein:
Voraussetzungen
- Auch hier muss der gegenseitige Vertrag wirksam zustande gekommen sein.
- Der Schuldner muss die vertraglich geschuldete Leistung (beispielsweise Lieferung einer Kaufsache) wegen Unmöglichkeit (§ 275 BGB) nicht mehr erbringen. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn es sich um eine gebrauchte Kaufsache oder ein Unikat handelt und dieses zerstört wird. Dann ist die Lieferung genau der vereinbarten Kaufsache für jedermann unmöglich geworden. Kann bei Neuwaren jedoch problemlos eine gleichartige Ersatzsache beschafft werden, tritt keine Unmöglichkeit ein und auch ein Rücktrittsrecht ist somit ausgeschlossen.
2. Die Rücktrittserklärung
Liegt einer der oben genannten Rücktrittsgründe vor, muss der Rücktritt gegenüber dem Vertragspartner selbstverständlich erklärt werden. Die Erklärung ist hierbei formlos möglich und kann dem Vertragspartner mündlich, schriftlich oder auch per Mail übermittelt werden.
Ausschlussgründe des Rücktritts
Selbst wenn die oben genannten Rücktrittsvoraussetzungen vorliegen, können besondere Umstände hinzutreten, die das Rücktrittsrecht dennoch entfallen lassen.
Insbesondere ist der Rücktritt dann ausgeschlossen, wenn der Käufer die Umstände, die ihn zum Rücktritt berechtigen würden (also Nicht- oder Schlechtleistung bzw. Unmöglichkeit) selbst herbeigeführt hat.
Darüber hinaus ist ein Rücktrittsrecht auch dann ausgeschlossen, wenn die Nicht- oder Schlechtleistung unerheblich war. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine Kaufsache nur geringe Mängel aufweist. Fordert der Käufer den Verkäufer wegen eines minimalen Mangels zur Neulieferung auf und weigert sich der Verkäufer diese vorzunehmen, berechtigt das den Käufer entsprechend auch nicht zum Rücktritt.
Rechtsfolgen des Rücktritts
Liegt ein Rücktrittsgrund vor und wurde der Rücktritt gegenüber dem Vertragspartner erklärt, sind gemäß § 346 BGB die empfangenen Leistungen zurück- und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Das bedeutet: Sind vor der Erklärung des Rücktritts bereits Leistungen ausgetauscht worden, müssen diese nach § 346 Abs. 1 BGB zurückgegeben werden.
Ein Beispiel:
Der Verkäufer hat eine mangelhafte Sache geliefert und weigert sich endgültig, eine andere, mangelfreie Sache nachzuliefern. Der Käufer tritt aufgrund dessen vom Kaufvertrag zurück. Gleichzeitig verkauft er die mangelhafte Kaufsache jedoch an einen Dritten weiter. Aufgrund des Rücktritts muss der Erstverkäufer den Kaufpreis erstatten – der Käufer seinerseits müsste die mangelhafte Kaufsache zurückgeben. Da sich die Sache mittlerweile jedoch im Besitz des Dritten befindet, kann er das nicht. Entsprechend muss hier der Wert der mangelhaften Kaufsache vom Käufer ersetzt werden.
Hat der Käufer die Sache hingegen nicht weiterverkauft, während seiner Besitzzeit aber die Möglichkeit gehabt, die Kaufsache zu nutzen, so muss er dem Verkäufer auch diese Gebrauchsvorteile ersetzen. Eine Wertminderung, welche die Sache durch eine gewöhnliche Inbetriebnahme erfahren hat, muss der Käufer im Falle des Rücktritts jedoch nicht ersetzen.