Besonders bei offenen Forderungen oder anderen Ansprüchen spielt die Verjährung eine wichtige Rolle – sowohl für Schuldner als auch für den Gläubiger. Jedoch kann die Verjährung durch einen Hemmungsgrund ausgesetzt werden oder durch bestimmte Umstände neu beginnen. Welche Gründe die Verjährung hemmen und welche Gegebenheiten einen Neubeginn der Verjährung zur Folge haben, erfahren Sie im folgendem Artikel.
- Die Reguläre Verjährungsfrist für Ansprüche beträgt drei Jahre gemäß § 195 BGB.
- Die Verjährung tritt mit dem Ende des Jahres ein, in dem die Forderung gestellt worden ist.
- Die Verjährung muss eigenständig eingebracht werden, um rechtlich relevant zu sein. Ein Musterschreiben finden Sie weiter unten.
- Die Verjährungsfrist kann gemäß § 203 BGB gehemmt werden.
- Unabhängig von der Verjährung kann ein Anspruch verwirken, wenn der Gläubiger diesen über lange Zeit hinweg nicht geltend gemacht hat, sodass der Schuldner davon ausgehen musste, dass auch in Zukunft der Anspruch nicht mehr geltend gemacht wird.
Allgemeines zur Verjährung
Eine Verjährung führt nicht dazu, dass ein Anspruch erlischt, sondern die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs nach einer bestimmten Frist (Verjährungsfrist) verweigert werden kann. Nach Ablauf der gesetzlichen Verjährung kann demnach ein Schuldner auf die Verjährungsbestimmungen verweisen und gemäß § 214 BGB die Leistungserbringung dauerhaft verweigern.
Zur Einrede der Verjährung genügt ein einfaches Schreiben. Als Beispiel haben wir ein Muster für Sie vorbereitet:
Ihr Name
Straße und Hausnummer
Postleitzahl und Ort
Name des Gläubigers
Straße und Hausnummer
Postleitzahl und Ort
Ort und Datum
Betreff: Einrede der Verjährung zu Ihrer Forderung vom (Datum) mit dem Aktenzeichen
Sehr geehrte Damen und Herren,
in Ihrem Schreiben vom (Datum), (Aktenzeichen) haben Sie eine Forderung in Höhe von (Euro) gegen mich gestellt.
Diese Forderung ist gemäß den gesetzlichen Bestimmungen verjährt.
Aus diesem Grund mache ich hiermit unter Berufung auf § 214 Abs. 1 BGB von meinem Recht auf Einrede der Verjährung Gebrauch.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Name
Unterschrift
Hemmung der Verjährung
Wenn eine Verjährung gehemmt wird, dann wird die Zeit der Verjährung gestoppt, solange der Hemmungsgrund besteht. Das heißt es ist der Zeitraum während der Verjährungsfrist, der nicht mitgerechnet wird.
Ist ein Hemmungsgrund nicht mehr gültig, so setzt die reguläre Verjährungsfrist genau an der Stelle ein, an der die Hemmung eingesetzt hat.
Beispiel – so wirkt sich die Hemmung auf die Verjährung aus:
- Zustellung der Forderung am 13.05.2019
- Beginn der Verjährung am 31.12.2019
- Widerspruchsklage eingereicht und Beginn der Hemmung am 01.10.2020
- Urteilsverkündung am 01.12.2020
- Ende der Hemmung am 01.12.2020
- Die Hemmung dauerte 61 Tage an.
- Reguläre Verjährung läuft weiter bis zum 03.02.2023
Welche Gründe es für eine Hemmung geben kann, erfahren Sie im folgenden Abschnitt.
Verhandlungen
Verhandeln beispielsweise Mieter und Vermieter über die Kosten der Renovierung, so verlängert sich die Verjährungsfrist um die Dauer der Verhandlung. Gemäß § 203 BGB wird die Verjährung gehemmt, wenn Schuldner und Gläubiger noch über die Rechtmäßigkeit des Anspruches verhandeln.
Zustellung einer Klage
Wird eine Klage gegen eine Forderung eingereicht, so wird die Verjährung gehemmt, bis ein rechtsgültiges Urteil ausgesprochen ist.
Legt zum Beispiel ein Schuldner eine Klage gegen eine Zinszahlung ein, so ist die Verjährung so lange gehemmt, bis der Richter ein endgültiges Urteil gefällt hat.
Zustellung eines Mahnbescheids
Ein Mahnbescheid ist Teil eines Vollstreckungsverfahrens gegen einen Schuldner. Wird dem Schuldner ein Mahnbescheid zugestellt, so wird die Verjährung für mindestens 6 Monate gehemmt.
Zustellung einer Streitverkündung
Die Streitverkündung ist eine förmliche Benachrichtigung eines Dritten über den Vorprozess, um ihn am Rechtsstreit zu beteiligen. Ergibt sich im Rahmen eines Vorprozesses eine Teilschuld eines Dritten, so wird er durch eine Zustellung einer Streitverkündung in den Rechtsstreit eingebunden.
Wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 06.12.2007 (Aktenzeichen IX ZR 143/06) klargestellt hat, ist eine Hemmung der Verjährung nur dann wirksam, wenn die Streitverkündung zulässig ist.
Zustellung eines Antrages zur Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens
Das selbstständige Beweisverfahren ist ein Antragsverfahren, um eine Klage vorzubereiten und somit den Prozess zu beschleunigen, indem beispielsweise Beweise gesichert und dokumentiert werden.
Ein Vermieter kann beispielsweise ein selbstständiges Beweisverfahren beantragen, wenn er manipulierte Stromzähler als Beweis sicherstellen will, bevor der Beschuldigte die Beweise beseitigt.
Gemäß § 477 Abs.2 BGB sowie § 639 Abs.1 BGB wird die Verjährung bei einem selbstständigen Beweisverfahren so lange gehemmt, bis die abschließende gerichtliche Verfügung erfolgt ist. In der Regel endet die Hemmung mit dem Eingang des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen.
Einreichung eines Güteantrags
Wird ein Antrag auf eine außergerichtlichen Einigung bei einer Gütestelle (Einigungsstelle der Landesverwaltung oder der Industrie- und Handelskammer) eingereicht, um einen Rechtsstreit zu schlichten, so wird gemäß §§ 209 Abs. 2, 212a BGB die Verjährung gehemmt.
Leistungsverweigerungsrecht
Das Leistungsverweigerungsrecht (auch „Gegenrecht“ genannt) beschreibt das Recht eines Schuldners, den Anspruch eines Gläubigers zu verweigern, ohne dabei in Verzug zu kommen.
Dabei sind das Zurückbehaltungsrecht, die Einrede des nicht erfüllten Vertrages und die Einrede der Verjährung die wesentlichen Gründe für eine rechtsgültige Leistungsverweigerung.
Gemäß § 205 BGB führt eine rechtmäßige Leistungsverweigerung zur Hemmung der Verjährung.
Höhere Gewalt
Ist die Rechtsverfolgung wegen höherer Gewalt nicht möglich, so tritt gemäß § 206 BGB eine Hemmung der Verjährung ein.
Beispielsweise im Falle eines Krieges oder einer Naturkatastrophe, die eine Rechtsverfolgung unmöglich macht, wird die Verjährung gehemmt.
Familienverhältnis
Bei Forderungen zwischen Eheleuten (gemäß § 207 BGB) ist die Verjährung solange gehemmt, wie sie verheiratet sind. Zwischen Eltern und Kindern ist die Verjährung gehemmt, bis das Kind das 21. Lebensjahr vollendet hat.
Sexuelle Selbstbestimmung
Bei Schadensersatzforderungen aus einem Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung gemäß § 208 BGB, ist die Verjährung gehemmt, bis das Opfer das 21. Lebensjahr vollendet hat.
Das Bedeutet, dass die tatsächliche Verjährung erst mit dem 21. Geburtstages in Kraft tritt. Der Anspruch kann also frühestens zur Vollendung des 24. Lebensjahres des Opfers verjähren.
Neubeginn der Verjährung
Ein Neubeginn der Verjährung beschreibt den Neustart einer Verjährungsfrist – unabhängig von der bereits vergangen Zeit. Das heißt, dass die abgelaufene Zeit nicht angerechnet wird, sodass der Gläubiger mehr Zeit hat, den Anspruch geltend zu machen.
Gemäß dem Urteil des Bundesgerichtshof (BGH 08.01.2013 – VIII ZR 344/12) kann ein Neubeginn der Verjährung nur dann einsetzten, wenn die Verjährung schon im Gang ist.
- Anerkennung eines Anspruches
- Vollstreckungsverfahren
Anerkennung eines Anspruches
Wenn ein Schuldner den geforderten Anspruch anerkennt, indem er Teilzahlungen, Zinszahlungen oder andere Sicherheitsleistungen tätigt, dann führt dies zu einem Neubeginn der Verjährung.
Zu bemerken ist, dass gemäß dem Urteil des BGH (BGH 23.08.2012 – VII ZR 155/10) keine Anerkennung vorliegt, wenn im Rahmen der Gewährleistungsansprüche ein Unternehmer Mängelbeseitigungen vornimmt und dabei klarstellt, dass er dazu nicht verpflichtet ist.
Vollstreckungsverfahren
Wenn ein Vollstreckungsverfahren eingeleitet wird, indem Urteile, Vollstreckungsbescheide, notarielle Schuldanerkenntnisse, vollstreckbare Vergleiche oder Ansprüche aus dem Konkursverfahren (Insolvenzverfahren) beantragt werden, dann führt dies zum Neubeginn der Verjährung.
Ein Vollstreckungsverfahren bedeutet, dass der Anspruch eines Gläubigers mittels Zwang durchgesetzt werden soll. Dabei unterscheidet man zwischen der steuerrechtlichen Vollstreckung, die in der Abgabenordnung geregelt ist, und der zivilrechtlichen Vollstreckung, die in der Zivilprozessordnung geregelt ist.
- Pfändungsverfügung durch Geld- und Sachpfändung, Konto- und Wertpapierpfändung
- Entziehungsverfügung, indem offene Forderungsansprüche des Schuldners bei Dritten eingefordert werden
- Arrest durch Gewahrsam nach bestimmten Tagessätzen
- Rückstandsunterbindende Maßnahmen wie die Rücknahme einer Gewerbeerlaubnis, der Einbezug des Personalausweises bzw. Reisepass etc.
Beispiel: Neubeginn der Verjährung
Erwirkt beispielsweise ein Vermieter eine Pfändung gegen einen Mieter, so beginnt mit der Zustellung der Pfändungsverfügung die Verjährung von neuem.
Wird gemäß § 212 BGB der Vollstreckungshandlung wegen rechtlichen Mangels oder auf Antrag des Gläubigers nicht stattgegeben, so wird der Neubeginn aufgehoben.
Ihr Name
Straße und Hausnummer
Postleitzahl und Ort
Stadt
Finanzamt als Vollstreckungsbehörde
Straße und Hausnummer
Postleitzahl und Ort
Betreff: Vollstreckungsbescheid vom (Datum)
Aktenzeichen
Antrag auf Vollstreckungsaufschub
Sehr geehrte Damen und Herren,
in der oben genannten Angelegenheit habe ich Ihren Vollstreckungsbescheid vom (Datum) erhalten.
Ich kann den offenen Betrag in der von Ihnen gesetzten Frist aufgrund meiner aktuell sehr angeschlagenen finanziellen Situation nicht aufbringen.
Ich beantrage daher hiermit die Aussetzung der Vollstreckung und beantrage Zahlungsaufschub (Dauer des Aufschubs).
Freundlichen Grüße
Ihr Name
Unterschrift